Können Eltern gegen Unterrichtsausfall vorgehen?

 

Ratgeber
Freitag, 19. August 2011 02:28
 
Wir haben eine Schulpflicht, aber hat der Staat auch die Pflicht, die anwesenden Schüler zu unterrichten bzw. zu bilden? Und hat der Schüler bzw. sein gesetzlicher Vertreter auch ein einklagbares Recht, wenn die Schule dieser Pflicht nicht nachkommt? Jürgen L. aus Mitte

 

Zahlreiche Bestimmungen in Verfassung und Schulrecht dokumentieren einen Anspruch auf Bildung. Die Frage nach einklagbaren Rechten ist aber in der juristischen Literatur, die hierzu vergleichsweise spärlich vorhanden ist, umstritten. Einige sehen einen Schadenersatzanspruch für die Kosten etwaig notwendigen Nachhilfeunterrichts als möglich an, zuweilen wird aber die Ableitung von einklagbaren subjektiven Rechten ganz verneint. Das alte Modell des Schulverhältnisses als "besonderes Gewaltverhältnis" ist aber in einem demokratischen Rechtsstaat längst überholt. Das Schulverhältnis ist vielmehr als "öffentlich-rechtliches Dienstleistungsverhältnis" zu verstehen, dass Schülern (und deren Eltern) bei Schlechterfüllung Rechtsschutz gewährt. Der rigiden Schulpflicht, die Deutschland als eine der ganz wenigen Industrienationen kennt, steht auf der anderen Seite die Verpflichtung des Staates gegenüber, nicht nur den Zugang, sondern auch den tatsächlichen Unterricht nach Rahmenplan und damit einen verlässlichen Schulalltag zu gewährleisten. Jedoch muss sicherlich nach Art und Dauer des Unterrichtsausfalls unterschieden werden. Ein kurzer, unvorhersehbarer Unterrichtsausfall (plötzliche Erkrankung des Lehrers) ist anders zu bewerten als vorhersehbare Ausfälle von längerer Dauer (fehlende Neueinstellungen von Lehrern).

Schule ist so zu organisieren, dass die Rechte der Schüler, aber auch die der Lehrer gewahrt werden. Unvermeidbare, kurzfristige Ausfälle sind von den Schülern hinzunehmen. Manche Schulen behelfen sich in der Not mit Konzepten wie Projektarbeiten und "Vorlesungen", statt die Stunden einfach ausfallen oder fachfremd vertreten zu lassen. Gegen längerfristigen Unterrichtsausfall, der das Erreichen des jeweiligen Bildungsziels gefährdet, ist allein schon aus Gründen der Chancengleichheit gegenüber anderen Schülern der Klageweg möglich, wenn Schule oder Schulaufsichtsbehörde keine Abhilfe schaffen.

André Nogossek ist Mitglied im Landeselternausschuss Berlin


http://www.morgenpost.de/familie/expertenfrage/article1737408/Koennen-Eltern-gegen-Unterrichtsausfall-vorgehen.html